Radartürme

Erinnerung an die Grenzschikanen

Geheimhaltungspflicht in der CSSR

Seit der Grenzöffnung wissen wir, dass das militärische Sperrgebiet entlang der Grenze ein Kerker für die darin lebenden Bewohner war, Die Leute wurden sowohl beim Verlassen wie auch beim Wiederbetreten aufs Strengste kontrolliert. Außerdem mussten sie ein Ausweispapier, das sie als Bewohner des Sperrgebietes deklarierte, ständig bei sich führen. Auch das Militär hatte strengste Auflagen und unterlag der Geheimhaltepflicht über Truppen, Stützpunkte und Drahtverhaubeschaffenheit. Offiziere und Soldaten durften ihren Familien über die Grenzposten nichts mitteilen. Wenn Arbeiter aus dem Staatsgut außerhalb des Stacheldrahtes arbeiten mussten, wurden sie dabei von tschechischem Militär bewacht. Hat sich gar ein Arbeiter mit einem Österreicher in ein Gespräch eingelassen, musste er lange Verhöre bei der Grenzwache über sich ergehen lassen. Wurden Fremde im Sperrgebiet entdeckt, bezichtigte man sie der Fluchtvorbereitung und verhaftete sie.

Einreisevisum für die CSSR

Die Einreise von Ausländern in die CSSR war an ein Visum gebunden. Ab 1. Februar 1990 fiel das weg. Alles, was bisher bei der Einreise in die CSSR an Schikanen, Unfreundlichkeiten und Repressalien seitens der tschechischen Grenzorgane ausgeübt wurde, entfiel mit einem Schlag. Bei der Botschaft der CSSR in Wien brauchte nicht mehr wie bisher vier Wochen vor Reiseantritt mit einem Formular um das Einreisevisum angesucht werden. Das Visum kostete 240,- Schilling pro Person. Pro Tag wurde der Kauf von Tschechenkronen im Wert von 150,- Schilling vorgeschrieben, Blieb man mehrere Tage in der CSSR, musste für die Nächtigung verpflichtend ein Hotel gebucht werden, das mit dem Visum im Voraus zu bezahlen war.

Schikanen bei der Grenzkontrolle

An der Grenze angekommen, musste man zuerst eine längere Wartezeit in Kauf nehmen. Hierauf folgten nacheinander die Visumkontrolle, der Einkauf der tschechischen Währung, die Zollkontrolle und zuletzt die Personen- und Fahrzeugkontrolle. Im Fahrzeug wurden die Sitze herausgenommen, Motor- und Kofferraum durchsucht und zuletzt mit einem fahrbaren Spiegel der Unterboden des Autos abgesucht. Koffer und Taschen wurden durchwühlt, Zeitungen und Bücher beschlagnahmt und die gesamte Barschaft gezählt. Tschechisches Geld, das bei uns zu einem Bruch­teil des Wertes bei jeder österreichischen Bank erhältlich war, durfte nicht eingeführt werden. Beim Verlassen der kommunistischen CSSR wurde diese Prozedur wiederholt. Peinlich wurde die Situation, wenn einer Waren ausführen wollte, die den Wert des eingeführten Geldes weit überstiegen.

Erster freier Ausreisetag für Tschechen

Am 4. Dezember 1989 durften die Tschechen ungehindert in das Mühlviertel ausreisen. Weitere freie Reisetage ohne Grenzkontrolle folgten im Laufe des Monats. Ab diesem 4. Dezember walzten sich über die Grenzübergänge Wullowitz und Weigetschlag (Bad Leonfelden) tschechische Autoschlangen mit dem Ziel Linz. Autotypen, wie der ostdeutsche Trabant und der tschechische Skoda, überwiegend ältere Baujahre, blockierten die Straßen. Dort und da blieb ein altersschwacher „Kübel“ liegen. Aber das Interesse der Tschechen am ,,kapitalistischen Westen“ war groß. Den Touristen fehlte jedoch der Schilling. Sie boten Krimsekt, Kaviar und andere Kostbarkeiten zum Verkauf an, um zu Geld zu kommen. Wer diesen ersten Tschechenansturm erlebt hat, wird ihn nie vergessen. Die Osterreicher lebten in der Angst vor den Tschechen, weil sie fürchteten, bestohlen zu werden. Nichts wurde gestohlen, freundlich waren sie alle und neugierig. Am liebsten hätten sie uns aus Freude über die Grenzöffnung umarmt. Hier geblieben ist niemand. Alle sind sie wieder heimgereist. Aber mit welchen Gefühlen?

Besichtigungsfahrten der Tschechen

Nach der unblutigen Revolution in der CSSR hob die österreichische Regierung zwischen dem 4. und 7. Dezember 1989 den Visumzwang für einreisende Tschechen auf. Konsulent Werner Lehner erhob beim Gendarmerieposten Bad Leonfelden die Zahl der ein- und rückreisenden CSSR-Bürger. Auf Grund dieser Information haben am 7. Dezember 1989 ca. 2000 PKW mit ca. 10.000 Personen den Grenzübergang in Weigetschlag bei Bad Leonfelden passiert.

Grenzland – Chronik einer bewegten Zeit, Prof. Fritz Winkler